und haben auch keine Zeit dazu. Aber Zeit hat der Lehrer und
die Lehrerin. So kommen die Kinder in die Schule.
Alle, alle Menschen helfen einander. Dazu sind sie da.
Alle, alle sind Brüder und Schwestern, die einander helfen und
lieben sollen.
74. Der Lauer und sein Kind. von Julius sturm.
Gedichte. 4. Auflage. Leipzig 1873. S. 44.
1. Der Bauer steht vor seinem Feld
und zieht die Stirne kraus in Falten:
„Ich hab’ den Acker wohl bestellt,
auf reine Aussaat streng gehalten;
nun seh’ mir eins das Unkraut an!
Das hat der böse Feind getan.“
2. Da kommt sein Knabe hochbeglückt,
mit bunten Blüten reich beladen;
im Felde hat er sie gepflückt,
Kornblumen sind es, Mohn und Raden;
er jauchzt: „Sieh, Vater, nur die Pracht!
Die hat der liebe Gott gemacht!“
75. Ditz Kombluth£* Von ^obaunes Crojan.
Nach der Handschrift des Verfassers.
Kornblume führt ihren Namen mit Recht; denn sie ist zu
Hause im Kornfeld. Hie und da sindest du sie auch auf
einem Wegrand oder auf einem Anger; aber am liebsten steht
sie zwischen den Halmen. Den ganzen Sommer hindurch hält sie
Gemeinschaft mit dem Getreide. Mit dem Saatkorn zusammen
wirft der Landmann ihren Samen in den Acker, mit der Saat
zusammen wächst sie auf und blüht. Zugleich mit dem reifen
Korn wird sie gemäht und in die Scheune gebracht. So kommen
ihre Samenkörnlein unter das Saatgut und im andern Frühjahr
wieder in den Boden hinein, obgleich niemand um sie besorgt ist
und sich Mühe darum gibt, sie zu säen oder zu pflanzen. Der
Bauer schilt die Kornblume ein lästiges Unkraut; aber des Wanderers
Augen erfreuen sich an ihr, wenn ihr liebliches Blau mit dem
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Extrahierte Personennamen: Julius Mohn ^obaunes_Crojan
„Eine Burg will ich an diesem Orte gründen, von welcher die teuflischen
Feinde durch die Gebete frommer Männer weit fortgescheucht werden
sollen, und in welcher ich mit Ruhe den jüngsten Tag erwarten werde."
Sogleich schickte er Boten nach dem Kloster Sittichenbach bei Eis-
leben mit der Bitte, daß von dort Mönche kommen möchten, um auf
jener Stelle ein Kloster zu gründen, welches mit Besitzungen reich ausgestattet
werden sollte. Eine Anzahl Klosterbrüder folgte dem Rufe und hielt
unter Führung des Abtes Sibold den Einzug in die damals wenig
lockenden Wald- und Seelandschaften der Zauche. Fürs erste war wohl
durch die Sorge des Markgrafen notdürftig hergestellt worden, was sie
an Baulichkeiten zu ihrem Unterkommen nötig hatten. Erst als sie im
Besitze der ihnen zugewiesenen Ländereien waren, legten sie selbst Hand
an, sich das neue Heim nach Gefallen zu gestalten. Dies konnte ohne
große Schwierigkeiten geschehen; denn die nächste Umgebung bot vortreff-
liche Ziegelerde und der Wald Bauholz in Menge. In der Klosterkirche
zeigte man nachher am Altare einen eingemauerten Baumstamm; das
war der Stumps der Eiche, unter welcher Markgraf Otto geschlafen und
die Erscheinung gehabt hatte. Lehnin aber wurde das Kloster genannt,
weil auf wendisch der Elenhirsch diesen Namen führt.
b. Der Abt Sibaldus von Lehnin.
Der Abt Sibaldus war einst mit einigen Mönchen in die Umgegend
von Lehnin gegangen, um zu predigen. Auf dem Rückwege kehrten sie
in das Dorf Namitz ein, um ein wenig zu ruhen. Das Dorf war still;
denn die Bewohner arbeiteten auf dem Felde, und nur die Kinder spielten
auf der Straße. Als diese die Mönche in ihren weißgrauen Gewändern
erblickten, flohen sie erschrocken in die Häuser, und da ihnen der Abt mit
seinen Begleitern folgte, liefen sie auf das Feld und riefen die Väter
herbei. Sogleich griffen diese zu Heugabeln und Äxten und stürmten in
das Dorf. Da ergriff die Mönche die Angst, und eilig suchten sie sich
durch die Flucht zu retten. Die anderen entkamen auch nach Lehnin, nur
der Abt, welcher wohlbeleibt und schwerfällig von Körper war, blieb
zurück. Als nun das Geschrei der Verfolger näher kam, kletterte er auf
eine dichtbelaubte Eiche. Hier wäre er wohl geborgen geblieben, allein
beim Klettern war ihm sein Schlüsselbund entfallen. Dadurch wurde er
entdeckt. Die Wenden schrien, er solle herabsteigen. Als er das nicht
lat, ergriffen sie ihre Äxte und hieben den Baum um. Vergeblich flehte
der Abt um sein Leben; die blutgierige Menge schlug ihn tot. Da ver-
loren die Mönche den Mut, länger in Lehnin zu verweilen, und beschlossen
16*
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Anfangs, solange er den dickeren Teil des Mastbaumes unter den
Füßen hatte, ging die Sache leidlich gut. Bedenklich wurde sein Schwanken,
je mehr der Baum sich verdünnte.
Trotzdem wäre er vielleicht glücklich bis an das Ende gelangt, wenn
die Bosheit seiner Mitschüler es zugelassen hätte. Denn plötzlich fuhren
jetzt die Köpfe hinter der Mauer empor, und es erhob sich ein johlendes
Geschrei: „Mops, du fällst 'runter! Mops, du fällst 'runter!"
Man sah, wie der Junge erschrak.
Aber noch gab er die Sache nicht verloren. Wie verzweifelt biß er
die Zähne aufeinander und setzte seinen Gang fort.
Nun aber kam es in Sprüngen über die Mauer, ein ganzes Rudel.
Der eine von den Buben packte mit beiden Händen das letzte
schwankende Ende des Schwebebaumes und fing an, es nach rechts und
links zu schütteln. Der kleine Kerl konnte sich nicht mehr halten.
„Nein!" schrie er mit gellender Stimme. Aber der andere schüttelte
weiter.
Im nächsten Augenblick war der arme Mops vom Schwebebaum herunter.
Ein brüllendes Gelächter erhob sich; gleich darauf aber ein Zorniges
Geschrei.
Mops, der sonst keiner Seele etwas zuleide tat und sich bei Prüge-
leien wie eine Schnecke ins Schneckenhaus zurückzog, war wie ein Wüten-
der auf den Bengel losgefahren, der ihn zu Fall gebracht, und hatte mit
beiden Fäusten auf ihn losgeschlagen.
Natürlich blieb dieser die Antwort nicht schuldig; andere halfen mit;
denn eine solche Frechheit von dem Mops war ja unerhört.
Und wenige Augenblicke darauf lag der arme kleine Kerl, beide
Arme über den Schwebebaum gebreitet, das Gesicht in die Arme gedrückt,
weinend wie ein Verzweifelnder.
Die Wolkenschiebermütze war ihm vom Kopf gefallen — in aller
Kälte war er noch immer ohne seinen Überzieher, er schien cs gar nicht
zu bemerken.
Endlich legten die älteren sich ins Mittel. Sie jagten die Quäl-
geister, die immer noch höhnend um ihn herumstanden, zur Seite, sie
versuchten, ihm gut zuzureden, ihn aufzurichten — alles blieb vergeblich.
Ein dumpfes Schluchzen, ein trostloses Kopfschütteln war seine einzige
Antwort.
Das ging so fort, bis endlich der Hebdomadar erschien. In jeder
Woche führte nämlich ein Lehrer der Anstalt die Aufsicht über die Zög-
linge während der Arbeit und Freistunden, und weil wir eine höchst ge-
lehrte Gesellschaft im Pädagogium waren, so wurde dieser Lehrer nach
griechischer Bezeichnungsart der Hebdomadar genannt.
In dieser Woche nun war es der alte Professor Daniel, dem die
Aufsicht oblag — ein großer, dicker, unendlich gütiger, wohlwollender Mann.
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Hadwig lächelnd: „Solang' ich das Zepter führe in Schwabenland, ist
mir ein solcher Vorschlag nicht gemacht worden. Aber Eures Ordens
Vorschrift soll von uns kein Leides geschehen. Welchem der Brüder habt
Jhr's zugewiesen, die Landesherrin über die Schwelle zu tragen?" Da
sprach der Abt: „Das ist des Pförtners Amt. Dort steht er!" Anmutig
sprang sie aus dem Bügel, trat auf Ekkehard zu und sprach: „So tut,
was Eures Amtes!" Fröhlich schritt er unter seiner Bürde über die
Schwelle, die kein Frauenfnß berühren durfte, der Abt ihm zur Seite,
Kämmerer und Dienstmannen folgten. Hoch schwangen die dienenden
Knaben ihre Weihrauchfässer, und die Mönche wandelten in gedoppelter
Reihe, wie sie gekommen, hinterdrein. Der Abt geleitete seine Gäste zu-
erst zur Kirche.
2.
Frau Hadwig hatte am Grab des heiligen Gallus ihre Andacht ver-
richtet. Dann gedachte der Abt, ihr einen Gang im schattigen Kloster-
garten vorzuschlagen; aber sie bat, ihr zuvörderst den Kirchenschatz zu
zeigen. Da wollte der Abt mit einiger Ausrede ihren Sinn ablenken,
vermeinend, sie seien nur ein arm Klösterlein, und die Herzogin werde auf
ihren Fahrten im Reich und am Kaiserhos schon Preiswürdigeres erschaut
haben; es half ihm nicht.
Sie traten in die Sakristei. Er ließ die gebräunten Schränke öffnen;
da war viel zu bewundern an purpurnen Meßgewändern, an Priester-
kleidern mit Stickerei und gewirkten Darstellungen aus heiliger Geschichte.
Hernach wurden die Truhen aufgeschlossen. Da glänzte es vom Schein
edler Metalle, silberne Ampeln gleißten herfür und Kronen, Streifen
getriebenen Goldes zur Einfassung der Evangelienbücher und der Altar-
verzierung; Mönche des Klosters hatten sie, ums Knie gebunden, ans
welschen Landen über unsichere Alpenpfade sicher eingebracht; köstliche
Gefäße in seltsamen Formen, Leuchter in Delphinengestalt, säulengetragene
Schalen, Leuchttürmen gleich, Weihrauchbehälter und viel anderes — ein
rechter Schatz. Auch ein Kelch von Bernstein war dabei, der schimmerte
lieblich, so man ihn ans Licht hielt; am Rand war ein Stück ausgebrochen.
„Als mein Vorgänger Hartmut am Sterben lag," sprach der Abt,
„ward's gepulvert und ihm mit Wein und Honig eingegeben, das Fieber
zu stillen." Mitten im Bernstein saß ein Mücklein, so fein erhalten, als
wär's erst neulich hineingeflogen; das hat sich, wie es in vorgeschichtlichen
Zeiten vergnüglich ans einem Grashalm saß und von: zähflüssigen Erdharz
überströmt ward, auch nicht träumen lassen, daß es in solcher Weise auf
die Nachwelt übergehen werde. Aus derlei stummes Zeugnis wirkender
Naturkrast aber ward damals kein aufmerkend Auge gerichtet, wenigstens
war der Kämmerer Spazzo, der ebenfalls mit Sorgfalt alles musterte, mit
andern Dingen beschäftigt. Er dachte, um wieviel ergötzlicher es sein
möcht, mit diesen frommen Männern in Fehde zu liegen und, statt als
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536
Gastfreund einzureiten, Platz und Schatz mit stürmender Hand zu nehmen.
Und weil er schon manchen Umschlag vornehmer Freundschaft erlebt,
bereitete er sein Gemüt auf diese Möglichkeit, faßte den Eingang der Sakristei
genau ins Aug' und murmelte: „Also vom Chor die erste Pforte zur
Rechten!" Der Abt mochte auch der Ansicht sein, daß lang fortgesetzter
Anblick von Gold und Silber Hunger nach Besitz errege : er ließ die letzte
Truhe, die der Kostbarkeiten vorzüglichste barg, nicht mehr erschließen und
drängte, daß sie ins Freie kamen.
Sie lenkten ihre Schritte zum Klostergarteu. Der war weitschichtig
angelegt und trug an Kraut und Gemüse viel nach Bedarf der Küche;
zudem auch nützliches Arzneigewächs und heilbringende Wurzeln. Beim
Baumgarten war ein großer Raum abgeteilt für wild Getier und Gevögel,
wie solches teils in den nahen Alpen hauste, teils als Geschenk fremder
Gäste dem Garten verehrt war. Auf einem Apfelbaum saß ein dienender
Bruder, pflückte die Äpfel und sammelte sie in Körbe. Wie sich die
Herzogin zum Schatten der Bäume wandte, wollte er herniedersteigen,
aber sie winkte ihm zu bleiben.
Jetzt ertönte es wie Gesang zarter Knabenstimmen in des Gartens
Niederung: die Zöglinge der inneren Klosterschule kamen heran, der Her-
zogin ihre Huldigung zu bringen; blutjunge Bürschlein, trugen sie bereits
die Kutte, und mancher hatte die Tonsur aufs elfjährige Haupt geschoren.
Wie sie aber in Prozession daherzogen, die rotbackigen Äbtlein der Zukunft,
geführt von ihren Lehrern, den Blick zur Erde niedergeschlagen, und wie
sie so ernst und langsam ihre Sequenzen sangen, da flog ein leiser Spott
iiber Frau Hadwigs Antlitz. Mit starkem Fuß stieß sie den nahestehenden
Korb um, daß die Äpfel lustig unter den Zug der Schüler rollten und
an ihren Kapuzen emporspraugen. Aber unbeirrt zogen sie des Weges;
nur der Kleinsten einer wollte sich bücken nach der verlockenden Frucht,
doch streng hielt ihn sein Nebenmännlein am Gürtel. Wohlgefällig sah
der Abt die Haltung des jungen Volkes und sprach: „Disziplin unter-
scheidet den Menschen vom Tier. Und wenn Ihr der Hesperideu Äpfel
unter sie werfen wolltet, sie blieben fest." Frau Hadwig war gerührt.
„Sind alle Eure Schüler so gut gezogen?" fragte sie. „So Ihr Euch
überzeugen wollt," sprach der Abt, „die Großen in der äußeren Schule
wissen nicht minder, was Zucht uiib Gehorsam ist."
Die Herzogin nickte. Da führte sie der Abt zur äußeren Kloster-
schule, wo zumeist vornehmer Laien Söhne und diejenigen erzogen wurden,
die sich weltgeistlichem Stand widmen wollten. Sie traten in die Klasse
der Ältesten ein. Auf der Lehrkanzel stand Ratpert, der Vielgelehrte,
und unterwies seine Jugend im Verständnis von Aristoteles' Logika.
Geduckt saßen die Schüler über ihren Pergamenten, kaum wandten sich
die Häupter nach den Eingetretenen. Der Lehrmeister gedachte Ehre ein-
zulegen. „Notker Labeo!" rief er. Der war die Perle seiner Schüler,
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die Hoffnung der Wissenschaft. Auf schmächtigem Körper ruhte ein
mächtiges Haupt, dran eine gewaltige Unterlippe kritisch in die Welt
hervorragte, das Wahrzeichen strenger Ausdauer auf den steinigen Pfaden
des Forschens und Ursache seines Übernamens. „Der wird brav," flüsterte
der Abt; „die ganze Welt sei ein Buch, hat er schon im zwölften Jahre
gesagt, und die Klöster die klassischen Stellen darin." Der Aufgerufene
ließ seine klugen Äuglein über den griechischen Text hingleiten und über-
setzte mit gewichtigem Ernst: „ . . . Findest du an einem Holze oder
Steine einen als Linie laufenden Strich, der ist der eben liegenden Teile
gemeine March. Spaltet sich an dem Striche der Stein oder das Holz
entzwei, so sehen wir strichweise zwei Durchschnitte an dem sichtbaren
Spalte, die vorher nur ein Strich und Linie waren. Und überdies sehen
wir zwei neue Oberflächen, die also breit sind, als dick der Körper war,
da man vor die neue Oberfläche nicht sah. Darum erhellet, daß dieser
Körper vorhin zusammenhängend war."
Aber wie dieser Begriff des Zusammenhängenden glücklich herans-
geklaubt war, steckten etliche der jungen Logiker die Köpfe zusammen und
flüsterten und flüsterten lauter. Jetzt wandte der Lehrmeister sich an den
folgenden: „Wie wird aber die Oberfläche eine gemeine March?" Da
las der seinen griechischen Text, aber die Bewegung in den Schulbänken
ward stärker. Es summte und brummte wie ferne Sturmglocken; zur
Übersetzung kam's nicht mehr. Plötzlich stürmten die Zöglinge Ratperts
lärmend vor, sie stürmten auf die Herzogin ein, rissen sie von des Abts
und des Kämmerers Seite: „Gefangen! gefangen!" schrie die holde Jugend
und begann sich mit den Schulbänken zu verschanzen. „Gefangen! Wir
haben die Herzogin in Schwaben gefangen! Was soll ihr Lösegeld sein?"
Der Abt war sprachlos, die Keckheit war ihm lähmend in die Glieder
gefahren. „Was soll das alles, ihr schlimmen Knaben?" fragte sie
lächelnd. Da trat einer der Ausrührer vor, beugte sein Knie und sprach
demütig: „Wer als Fremder kommt, ist sonder Schutz und Friede, und
friedlose Leute hält man gefangen, bis sie sich der Unfreiheit lösen." —
„Lernt ihr das auch aus euern griechischen Büchern?" — „Nein, Herrin,
das ist deutscher Brauch." — „So will ich mich denn auslösen," lachte
Frau Hadwig, „was heischet ihr denn für ein Lösegeld?" fragte sie.
„Der Bischof Salomo von Konstanz war auch unser Gefangener," sprach
der Schüler, „der hat uns drei weitere Vakanztage erwirkt im Jahre und
eine Rekreation an Fleisch und Brot und hat's in seinem Testament
gebriest und angewiesen." „O Nimmersatte Jugend," sprach Frau Hadwig,
„so muß ich's zum mindesten dem Bischof gleich tun. Habt ihr schon
Felchen aus dem Bodensee verspeist?" „Nein!" riefen die Jungen. „So
sollt ihr jährlich sechs Felchen zum Angedenken an mich erhalten. Der
Fisch ist gut für junge Schnäbel." — „Gebt Jhr's mit Brief und
Ziegel?" — „Wenn's sein muß!" — „Langes Leben der Frau Herzogin
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Extrahierte Personennamen: Ernst Hadwig Bischof_Salomo_von_Konstanz Hadwig
vq*^^^^^^Vs)V^2>^ Ys> 539
Das Amt des Vorlesers vor dem Imbiß stund in dieser Woche bei Ekke-
hard, dem Pförtner. Er trat auf und sprach einleitend: „Herr, öffne
meine Lippen, auf daß mein Mund dein Lob verkünde," und alle
sprachen's ihm murmelnd nach, als Segen zu seiner Lesung. Nun erhob
er feine Stimme und las den vierundvierzigsten Psalm, den die Schrift
selber einen lieblichen Gesang nennt.
Die Mahlzeit begann. Der Küchenmeister, wohl wissend, wie bei
Ankunft fremder Gäste Erweiterung der schmalen Klosterkost gestattet sei,
hatte es nicht beim üblichen Mus mit Hülsenfrüchten bewenden lassen.
Wohl erschien zuerst ein dampfender Hirsebrei, auf daß, wer gewissenhaft
bei der Regel bleiben wollte, sich daran ersättige; aber Schüssel auf
Schüssel folgte, bei mächtigem Hirschziemer fehlte der Bärenschinken nicht,
sogar der Biber vom obern Fischteich hatte sein Leben lassen müssen.
Fasanen, Rebhühner, Turteltauben und des Vogelherds kleinere Ausbeute
folgten, der Fische aber eine unendliche Auswahl, so daß schließlich ein
jegliches Getier, watendes, fliegendes, schwimmendes und kriechendes, auf
der Klostertafel seine Vertretung fand.
Der stattliche Nachtisch, auf dem Pfirsiche, Melonen und trockene
Feigen geprangt hatten, war verzehrt. Auch nach der Mahlzeit — so
wollte es des Ordens Regel — war zur Erbauung der Gemüter ein
Abschnitt aus der Schrift oder dem Leben heiliger Väter zu verlesen.
Ekkehard hatte am Tag zuvor das Leben des heiligen Benediktus be-
gonnen, das einst Papst Gregorins abgefaßt. Er wollte mit dem zweiten
Kapitel fortfahren, aber Spazzo, der Kämmerer, schlug unversehens dem
Vorleser das Buch zu, daß der holzbeschlagene Deckel klappte, hob ihm
seinen Pokal entgegen und sprach: „Soll leben, der heilige Benedikt!"
und wie ihn Ekkehard vorwurfsvoll ansah, stimmte schon die jüngere
Mannschaft der Klosterbrüder lärmend ein, und fröhlicher Zechgesang und
lauter Jubel klang durch den Saal. Etliche stürmten hinaus; bald kamen
sie wieder mit Instrumenten. Der brachte eine Laute, jener ein Geiglein,
worauf nur eine Saite gespannt, ein anderer eine Art Hackbrett mit ein-
geschlagenen Metallstiften, zu deren Anschlag ein Stimmschlüssel dienlich
war, wiederum ein anderer eine kleine zehnsaitige Harfe, Psalter hießen
sie das seltsam geformte Instrument und sahen in seiner dreieckigen Gestalt
ein Symbol der Dreieinigkeit. Und dem Tutilo reichten sie einen dunkeln
Taktstab aus Ebenholz. Da erhob sich lächelnd der graue Künstler und
gab ihnen das Zeichen zu einer Musika, die er selbst in jungen Tagen
aufgesetzt; mit Freudigkeit hörten's die andern.
Zu unterst am Tische saß ein stiller Gast mit blaßgelbem Angesicht
und schwarzkrausem Gelock; er war aus Welschland und hatte von des
Klosters Gütern im Lombardischen die Saumtiere mit Kastanien und Öl
herübergeleitet. In wehmütigem Schweigen ließ er die Flut der Töne
über sich erbrausen. „Nun, Meister Johannes," sprach Folkard, der
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540
Maler, zu ihm, „ist die welsche Feinfühligkeit jetzt zufriedengestellt? Den
Kaiser Julianus mutete einst unserer Vorväter Gesang an wie das
Geschrei wilder Vögel, aber seitdem haben wir's gelernt. Klingt's Euch
nicht lieblicher als Saug der Schwanen?" „Lieblicher — als Sang der
Schwanen —" wiederholte der Fremde wie im Traum. Dann erhob er
sich und schlich leise von dannen. Es hat's keiner im Kloster zu lesen
bekommen, was er in jener Nacht noch ins Tagebuch seiner Reise eintrug:
„Diese Männer diesseits der Alpen," schrieb er, „wenn sie auch den
Donner ihrer Stimmen hoch gen Himmel erdröhnen lassen, können sich
doch nimmer zur Süße einer gehobenen Modulation erschwingen. Wahrhaft
barbarisch ist die Rauheit solch abgetrunkener Kehlen; wenn sie durch
Beugung und Wiederaufrichtung des Tons einen sanften Gesang zu er-
inöglichen suchen, schauert die Natur, und es klingt wie das Fahren eines
Wagens, der in Winterszeit über gefrorenes Pflaster dahinknarrt." —
Auch der Frau Herzogin klang die Musik gellend in die Ohren, drum
sprach sie: „Es ist Zeit, schlafen zu gehen!" und ging mit ihrem Gefolg
nads) dem Schulhaus hinüber, wo ihr Nachtlager sein sollte.
Frühmorgens darauf saß die Herzogin samt ihren Leuten im Sattel,
heimzureiten, und der Abt hatte keine Einwendung erhoben, da sie sich
jegliche Abschiedsfeierlichkeit verbat.
7. vas Kloster lhersîelcl im Iakre 1003.
Von Gustav freytag.
Die Ahnen. 2. Abt. Das Nest der Zaunkönige. 5. Aufl. Leipzig 1875. 8. 1.
Vyyjo die Geisa das Wasser ihrer Quellen in die Fulda gießt, lag
zwischen Wiesen und fruchtbaren Feldern das Kloster Herolfs-
seld. Hohe Fürsten des Himmels waren seine Beschützer, denn die Kloster-
kirche umschloß die Reliquien zweier Apostel; doch den größten Eifer für
das Gedeihen des Klosters hatten zwei Geführten des heiligen Bonifatius
bewiesen: Erzbischof Lullus, der die ersten Mönche auf das leere Feld
führte, und der Heidenbekehrer Wigbert, dessen Gebeine erst viele Jahre
nach feinem Tode im Kloster niedergesetzt wurden, der aber seitdem durch
zahllose Wunder den Ruhm der Stätte erhöhte. Als das größte seiner
Wunder rühmten die Leute, daß in der einsamen Landschaft ein mächtiges
Menschenwerk entstanden war: Türme und hohe Kirchgiebel, um diese
herum eine große Zahl von Gebäuden ans Stein und Lehm, deren wetter-
graue Holzdächer wie Silber in der Mittagssonne glänzten. Was man
Kloster nannte, war in Wahrheit eine feste Stadt geworden, durch Mauern,
Pfahlwerk und Graben von der Ebene geschieden.
Länger als zweihundert Jahre hatten die Mönche gebetet, um den
Gläubigen Heil und guten Empfang in jenem Leben zu bereiten,
dafür waren sie selbst reich geworden an irdischem Grundbesitz, den ihnen
fromme Christen in der bittern Sorge um das Jenseits gespendet hatten.
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Extrahierte Personennamen: Gustav Gustav Vyyjo Apostel Lullus
40
3. Zur Ahnentugend wir uns weihn, zun: Schutze deiner Hütten;
Wir lieben deutsches Fröhlichsein und alte deutsche Sitten.
4. Die Barden sollen Lieb' und Wein, doch öfter Tugend greifen
Und sollen biedre Männer sein in Taten und in Weisen.
5. Ihr Kraftgesang soll himmelan mit Ungestüm sich reißen,
Und jeder echte deutsche Mann soll Freund und Bruder heißen.
Mel.: Albert Methfcssel (1785—1869).
Die Klassiker.
Gottfried von Herder.
1744—1803.
Sämtliche Werke. Herausg. von Bernhard Suphan. 28. u. 29. Band.
Berlin 1884 u. 1889. — Volkslieder. 2. Teil. Leipzig 1779.
1. Der gerettete Jüngling.
Eine schöne Menschenseele finden
Ist Gewinn; ein schönerer Gewinn ist,
Sie erhalten, und der schönst' und schwerste,
Sie, die schon verloren war, zu retten.
5 Sankt Johannes, aus dem öden Patmos
Wiederkehrend, war, was er gewesen,
Seiner Herden Hirt. Er ordnet' ihnen
Wächter, auf ihr Innerstes aufmerksam.
In der Menge sah er einen schönen
io Jüngling; fröhliche Gesundheit glänzte
Vom Gesicht ihm, und aus seinen Augen
Sprach die liebevollste Feuerseele.
„Diesen Jüngling," sprach er zu dem Bischof,
„Nimm in deine Hut! Mit deiner Treue
15 Stehst du mir für ihn! — Hierüber zeuge
Mir und dir vor Christo die Gemeine."
Und der Bischof nahm den Jüngling zu sich,
Unterwies ihn, sah die schönsten Früchte
In ihm blühn, und weil er ihm vertraute,
20 Ließ er nach von seiner strengen Aufsicht.
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Extrahierte Personennamen: Albert_Methfcssel Gottfried_von_Herder Bernhard_Suphan Johannes Christo
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trunkener Mann; dann hinkte er zürn offenen Söller seines Erkers itnb
schaute hinab. Und er war betrüblich überrascht: „Heiliger Benedikt,
meine Base, die Frau Herzogin!"
Sofort schürzte er seine Kutte, hing das güldene Kettleirr mit dem
Klostersigill um, nahm seinen Abtsstab von Apfelbanmholz, dran der
reichverzierte Elfenbeingriff erglänzte, und stieg in den Hof hernieder.
Jetzt ward draußen ins Horn gestoßen. Der Kämmerer Spazzo
ritt als Herold ans Tor und rief mit tiefer Stimme: „Die Herzogin
und Verweserin des Reichs in Schwabenland entbeut dem heiligen
Gallus ihren Gruß. Schaffet Einlaß!" Der Abt seufzte leise auf. Er-
stieg auf Romeias Warte; an seinen Stab gelehnt gab er denen vor dem
Tor den Segen und sprach: „Im Namen des heiligen Gallus dankt der
Unwürdigste seiner Jünger für den erlauchten Gruß. Aber Einlaß
schaffen ist ein unmöglich Ding. Kanonische Satzung sperrt das Tor!"
Frau Hadwig saß schon lange ungeduldig im Sattel. Jetzt schlug
sie mit der Reitgerte ihren weißen Zelter, daß er sich mäßig bäumte.
„Herr Abt, die Herzogin in Schwaben muß das Kloster sehen!" sprach
sie scharf. Da ward dem Schwergeprüften klar, daß weiterer Wider-
spruch kaum mehr möglich sei ohne große Gefahr für des Gotteshauses
Zukunft. Darum rief er jetzt hinunter: „Da Ihr hartnäckig darauf besteht,
muß ich's der Ratsversammlung der Brüder vortragen. Bis dahin
geduldet Euch!"
Fünfmal erklang jetzt das Glöcklein von des heiligen Otmar Kapelle
neben der Hauptkirche und rief die Brüder zum Kapitelsaal. Der Abt
bestieg seinen ragenden Steinsitz, und sie ratschlagten, was zu tun. Der
Fall war schwierig. Die Beratung ward stürmisch, sie sprachen hin und
her. Da erhob sich unter den Jüngeren einer und erbat das Wort.
„Sprechet, Bruder Ekkehard!" rief der Abt. Der erhob seine Stimme
und sprach: „Die Herzogin in Schwaben ist des Klosters Schirmvogt und
gilt in solcher Eigenschaft als wie ein Mann. Und wenn in unserer
Satzung streng geboten ist, daß kein Weib den Fuß über des Klosters
Schwelle setze: man kann sie ja darüber tragen." Da heiterten sich die
Stirnen, beifällig nickten die Kapuzen, auch der Abt war des verständigen
Wortes nicht unbewegt und sprach: „Bruder Ekkehard, Ihr seid sanft wie
eine Taube, aber klug wie die Schlange. So sollt Ihr des eignen Rats
Vollstrecker sein!"
Der Abt pflog noch eine lange, flüsternde Verhandlung mit Gerold,
dem Schaffner, wegen des Vesperimbisses. Dann stieg er von seinem
Steinsitz und zog mit der Brüder Schar den Gästen entgegen. Die
waren draußen schon dreimal um des Klosters Umfriedung herumgeritten
und hatten sich mit Glimpf und Scherz des Wartens Ungeduld vertrieben.
Abt Cralo sprach ernst: „Vernehmt des Klosters Beschluß!" Und er
eröffnete die Bedingung, die sie auf den Eintritt gesetzt. Da sprach Frau
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